Nordthüringer Kirchenbibliotheken werden gerettet

26.11.18

Bundesweit einmaliges Pilotprojekt mit zahlreichen Partnern

Projekt „Erschließung und Sicherung Nordthüringer Kirchenbibliotheken“:

Das Projekt ist Bestandteil der verstärkten Bemühungen zur Sicherung und Bewahrung des kulturellen Erbes in Mitteldeutschland. Im Gebiet der Evangelisch-Lutherischen Kirche Thüringens (heute Evangelische Kirche in Mitteldeutschland) gab es mindestens 800 Kirchenbibliotheken. Einige sind gut erschlossen, der größte Teil ist jedoch nahezu unbekannt. Das Pilotprojekt widmete sich dem Auffinden, Erfassen und Verzeichnen historischer Druckerzeugnisse in den Kirchenbibliotheken des Kirchenkreises Bad Frankenhausen-Sondershausen. Die Partner haben erstmalig im gesamten Bundesgebiet das kulturelle Erbe einer Region festgestellt, gesichert und der Forschung zugänglich gemacht. Das Projekt trägt maßgeblich zur Bewahrung und Bekanntmachung des schriftlichen Kulturguts der historisch gewachsenen Region Bad Frankenhausen-Sondershausen bei.

Hintergrund:

Das geschichtsträchtige Territorium des Kirchenkreises Bad-Frankenhausen-Sondershausen schließt Gebiete der ehemaligen Schwarzburger Fürstentümer, des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach und des Herzogtums Sachsen-Gotha ein
Es ist damit ein typischer Spiegel kleinstaatlicher Geschichte mit reichem kulturellem Erbe
Die zahlreichen Kirchenbibliotheken auf lokaler Ebene sind ein zentraler Bestandteil und dokumentieren die lebendige frühneuzeitliche Bildungslandschaft abseits akademischer Zentren, die für Mitteldeutschland charakteristisch ist

Besonderheiten:

Es handelt sich um ein Pilotprojekt – damit wurde in Deutschland „Neuland betreten“
Arbeitsabläufe mussten erst gefunden und optimiert, bei Notwenigkeit auch geändert werden; Arbeitsaufwand und Zeitverbrauch waren schwer einzuschätzen; es gab viele Unwägbarkeiten, die sämtliche Planungen erschwerten
Bücherlisten waren teilweise älter als 80 Jahre, in vielen Fällen gab es gar keine Listen und keine Überlieferungen zu historischen Buchbeständen sowie deren Lagerungs- und Erhaltungszustand

Dauer und Kosten:

Projektlaufzeit vom 1.1.2017 bis Ende November 2018 (erste Phase)
Die Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung hat das Kirchenbibliotheksprojekt mit 62.322 Euro gefördert
Weitere Kosten, die den Projektpartnern durch Eigen- und Zusatzleistungen entstanden sind, lassen sich schwer beziffern

Ergebnisse:

Vor Ort ermittelt und bibliographisch erfasst wurden Drucke, die seit der Erfindung des Buchdrucks bis 1850 erschienen sind
78 Bibliotheksbestände an 86 Orten wurden ermittelt, einige davon zählen nicht mehr als 20 Bücher
Etwa 40 Prozent der Ortsbestände (etwa 2.200 Titel) wurden fachgerecht in die Datenbank des Gemeinsamen Bibliotheksverbunds (GBV) eingepflegt, also umfassend bearbeitet
22 Bestände liegen zur bestandsmäßigen Sicherung als Depositum (lat. „Hinterlegtes“) der jeweiligen Gemeinden im Landeskirchenarchiv Eisenach
Die Drucke sind über den Karlsruher Virtuellen Katalog recherchierbar, die Bibliotheken werden darüber hinaus in der Datenbank Augias kurz beschrieben
Für das Projektgebiet wurde eine Karte erarbeitet, auf der die Bestandssituation sichtbar ist

Fazit:

Durch das Projekt wurden nicht nur die betroffenen Kirchengemeinden sensibilisiert, sondern eine breitere interessierte Öffentlichkeit
In diesem Sinne wirken die Ergebnisse der Bewahrung und Erschließung der Nordthüringer Kirchenbibliotheken wegbereitend für weitere Projekte zur Sicherung unseres kulturellen Erbes

Projektpartner:

Prof. Dr. Christopher Spehr, Lehrstuhl für Kirchengeschichte der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Kathrin Paasch, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt
Dr. Hannelore Schneider, Landeskirchenarchiv Eisenach
Prof. Dr. Thomas Wilhelmi, Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Heidelberg]
Prof. Dr. Ernst Koch, Leipzig
Kristóf Bálint, Superintendent des Kirchenkreises Bad Frankenhausen-Sondershausen
Dr. Wolfram Theilemann, Archivpfleger des Kirchenkreises Bad-Frankenhausen-Sondershausen
Die Kirchengemeinden als Bibliotheksträger
Wilhelm Lindner, Projektmitarbeiter

Hintergrund Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung:

Benannt nach dem berühmten Nordhäuser Theologen und Historiker Friedrich-Christian Lesser (1692 – 1754) und 1992 von dessen Nachfahren, der Familie Lesser, gegründet
Gefördert werden die Landesgeschichtsforschung und regionale historische Forschungen in Thüringen und dem mitteldeutschen Raum insgesamt, zunehmend auch in Ostmitteleuropa
In Lessers Heimatstadt Nordhausen sanierte die Stiftung die Fachwerkhäuser im Quartier Bäckerstraße und stellte der Stadt kostengünstig das Gebäude für das Museum „Tabakspeicher“ als Industrie- und Handwerkermuseum mit einer archäologischen Sammlung zu Nordhäuser Funden zur Verfügung
In einer Schriftenreihe werden eigene Publikationen veröffentlicht
Gefördert werden junge Historiker mit Promotions- oder Post-Doc-Stipendien; gestiftet hat die Stiftung den Friedrich-Christian-Lesser-Preis für Thüringer Geschichtsvereine, der durch die Historische Kommission vergeben wird
Wissenschaftliche Tagungen werden unterstützt

Weitere Informationen im Internet: www.thueringer-kirchenbibliotheken.de

Bei Rückfragen:

Dr. Hannelore Schneider, Leiterin des Landeskirchenarchivs Eisenach, 036 91- 65 804-74