Grimmig schauender Alois im Mauritianum angekommen
6.05.17Das Altenburger Naturkundemuseum beherbergt jetzt eine mannshohe Holzfigur aus Neuguinea
OVZ, 06.05.2017, von Matthias Klöppel
ALTENBURG. Die Zunge bedrohlich aus dem Mund gestreckt, die Nase mit einem Knochen durchbohrt, der Blick hypnotisch: Die ethnologische Sammlung im Altenburger Mauritianum ist seit gestern um ein außergewöhnlich repräsentatives Museumsstück reicher. Es handelt sich um eine 1,73 Meter große Holzfigur aus der Provinz Ostsepik im Norden der australasiatischen Insel Neuguinea. Andreas Lesser, Stiftungsvorstand der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung, hat sie aus Anlass des 200. Jubiläumsjahres der Gründung der Naturforschenden Gesellschaft Altenburg dem hiesigen Naturkundemuseum aus seinem Privatbesitz übergeben. „Das ist ein großer Glücksfall für uns“, freut sich Museumsdirektor Mike Jessat. „Die Statue besitzt für unsere Sammlung eine besondere Bedeutung.“ Während Exponate aus Australien und von anderen Inselgruppen des Südpazifik in den Ausstellungsräumen vorhanden seien, würden Objekte aus dem nördlichen Neuguinea bislang noch fehlen. „Das Stück besticht nicht nur durch seine Größe, denn meist fertigten die Künstler Figuren von einem Drittel der Höhe oder kleiner, sondern auch durch seinen sehr guten Erhaltungszustand und seine Ausdrucksform“, weiß Jessat nach eingehender Recherche zu berichten. Schäden gebe es keine. Lediglich eine fachgerechte Säuberung müsse noch erfolgen. Der in dunklem Braun gehaltene, mit einem reich verzierten Kopf in Form eines Schildes ausgestattete Neuankömmling wurde in einem für seine Schnitzkunst bekannten Tal kreiert und stellt eine alte Ahnenfigur dar. „Solche Gegenstände hat man für Beerdigungen gebraucht“, erläutert Ethnologe Olaf Günther fachkundig. „Nach dem Ritual verloren sie in der Regel ihren Nutzen und wurden einfach entsorgt.“ Nicht so beim neuen Museumsstück: Laut Günther wurde dessen Fertigung mit hohem Aufwand betrieben, was dafür spreche, dass die mannshohe Figur für den Export gedacht war. „Die große Nase und der zur Schau gestellte Phallus legen überdies nahe, dass wir es hier mit einem Symbol für Fruchtbarkeit zu tun haben“, so der Wissenschaftler, der zugleich Vorstandsmitglied der Naturforschenden Gesellschaft Altenburg ist. Der derzeitige Handelswert werde auf 3500 Euro taxiert. Etwas überraschend mutet der Kosename an. Denn das grimmig dreinblickende Objekt hört auf den bayerischen Namen Alois. Den hat ihm sein vormaliger Besitzer verliehen. „Genauer gesagt meine Kinder“, erzählt Andreas Lesser, der eine große Leidenschaft für historische Forschung hegt. Warum genau, wisse er nicht mehr. „Neuguinea hat mich immer gereizt. Das war ja mal deutsche Kolonie. Aber das Klima dort ist extrem.“ Deshalb habe der Diplomkaufmann die Statue in den 1980er-Jahren im australischen Sydney erworben und anschließend mit in seine Heimatstadt München gebracht, wo sie bis zuletzt die eigenen vier Wände zierte. Lesser: „Jetzt gehört Alois aber dorthin, wo ihn viele sehen können.“ Die erste Präsentation soll im Oktober erfolgen. „Dann wollen wir unsere dritte Sonderausstellung in diesem Jahr eröffnen“, verkündet Museumsdirektor Jessat. Bei dieser stehen Objekte im Fokus, die von Studenten aus Leipzig und Berlin bearbeitet wurden. Alois würde die Ausstellung begleiten, unterstützt durch „einen kleinen Bruder an seiner Seite“.